Poesie-Atelier

Textproben aus Leerfüllung

Zugfahrt

Wir saßen so leise da

Unsre Beine überschlagen
Umschlangen sich selbst
Unsre Blicke schwingend
Suchten braune Polsterung

Draußen düsterten Wälder
Die Rehe verschwanden im Abend
Der vorbeizog
Der verging

Unsre Gespräche blieben taub
Im Kehlenansatz stecken
Für unsre Ängste und Sorgen
Hätten wir uns geschämt

Der Vorhang der Nacht
Verhüllte Stufen zum Tempel
Der versprochen war
Der verwucherte

Unser Abteil war kahl
Gemäht von schwacher Liebe
Unser Fenster war geöffnet
Vom Nebel auf den Gleisen

So still waren wir

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Unentdeckt

Hinter dem schönen Haus
Raschelt silbern Wind im Schilf

Die Wolken ziehen weiter
Vögel groß

Es schläft bereits der Garten
Im Frieden seiner Gäste

Auf den Tischen wehen Messer
Die Katzen jagen hungrig

Es faucht ein Schattenschirm
Unter den Kaskaden zirpen
In der Kanalisation die Ratten

Über Alltagskirchen flüstert
Das Hecheln praller Putten:
Abtreibungskrippen

Die Vororte verfallen
In Gelächter
Ewig gleicher Kneipenzüge

Es fehlt jede Spur

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Gegenwart

Noch spielen Kinder
Auf Pfützen warmen Regens

Die Gräser kauern
Unter Ketten eines Pflugs

Noch winken Mütter
Auf Steigen über Gleisen

Die Zweige zittern
Vom geistigen Hauch der Bläue

Noch beten Brüder
In Meeren ernster Enge

Die Hügel hängen
In Minen böser Träume

Noch knattern Fahnen
Letzter Gipfel Eisesblüten

Der Mond geht unter
Es weht schwangre Nacht

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Anbruch

Das Wasser aus dem Duschkopf schmeckte
Nach den Trauben eines unentdeckten Landes

Die Nasszelle öffnete ihre Plastik-Dichtungen
Wie rote Blütenblätter die bei Vollmond fallen

Der Toast erwärmte sich wie garend
In Höhlen unterirdischer Feuer

Das Vitamin B löste sich komplett auf
Wie Beziehungen die über den Glasrand reichten

Das Abtrocknen des Körpers schattet
Wie ein Scherenschnitt durch weite Wüsten

Die Kühlaggregate alter Nahrung surrten
Gleich der Gletscherschmelze leerer Polkappen

Die Luftwirbel um den Betonblock klangen
Wie das Rauschen der Züge im Haus der Großmutter

Im Halbschlaf begann ein neuer Traum
Die Sterne fielen laut herab

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Stille Feste

Am nächsten Tage zog
Dort der Geruch voll
Rausch und Rauchfassaden
Langatmig durch die Gänge

Die Chemie hatte gedient
Und ließ die Liebe
In Betonfassaden hohl
Und ungehört verstummen

Das Geschlecht hatte gesiegt
Dessen Atem voller Fäule
Letzte Luft dem Vakuum
Entsog aus gierig Munde

In Geisterhemden tanzten
Die Letzten einen Tango
Als draußen auf den Stämmen
Die Raben wiederkehrten

Niemand sprach –
Im Wald wallten die Nebel
Der fernen wahren Küsse
Der Küsse nur des Abschieds

Vergangen war die Stunde
Der leeren Feste Freuden

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Kundenführung

In den Kaufpalästen wiege ich
Mich in Sicherheit allgemeiner
Kundenwaagen

Hell scheinen die Stäbe in
Effizienz meines Konsums durch
Spiegelgitter

Geduldig rauchen Truhen aus Eis
Nach meinem öffnenden Sarggriff zur
Füllmarkierung

Gleich stapeln sich Ordnungen
Durch Labyrinthe meines Lebens um
Sonderangebote

Ich verirre mich nicht in mir
Ich gehe verloren mit manchen
Ruft mich nicht aus

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Wintermond

Während draußen der Schnee stob
Floß der Bacharm
In mich
Und erfasste
Meine Tränen

Während draußen der Schnee sich legte
Griff das ferne Feld
Nach mir
Und zog an
Meinen Erinnerungen

Als draußen der Schnee erfror
Berührte mich der Mond
Und sprach zu mir
Tröstend von
Romantischeren

Zeiten
 
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